Vorhaben der Klassik Stiftung Weimar werden gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Freistaat Thüringen, vertreten durch die Staatskanzlei Thüringen, Abteilung Kultur und Kunst.
Eine Interview- und Lektüreserie von Mersolis Schöne
„Meine geduldigen Freunde, dies Buch wünscht sich nur vollkommene Leser und Philologen: lernt mich gut lesen!“
Friedrich Nietzsche (Morgenröthe, 5)
Was aber ist gelungenes, gutes Lesen? — Gemeinsam mit Nietzsches Philosophie, die fordert „Lernt mich gut lesen!“, erkundet die Interview- und Lektüreserie „Friedrich Nietzsche – Das Lesen neu lesen“ in 14 Episoden die vielfältigen Wege, dieser Aufforderung nachzukommen. Die Beiträge berichten unter anderem von der Faszination des Lesens, den Reibungspunkten mit Nietzsches Philosophie sowie von der Verbindung mit anderen Theorien und Kulturen. Sie beleuchten zudem die biografischen Berührungspunkte und eröffnen eine Vielfalt an Leseformen, in denen sich das Lesen mit Musik, Theater, Demaskierung, Kontextualisierung, genealogischer Analyse und Selbstanalyse verbindet.
Ein Teil des Projekts wurde im Rahmen eines Nietzsche-Fellowships der Klassik Stiftung Weimar bearbeitet.
Diese 30-minütige Vorschau gibt mit Statements und Leseausschnitten einen ersten Einblick in die kommenden Episoden der Interview- und Lektüreserie. In kurzen Beiträgen kommen Renate Reschke, Tracy B. Strong, Lisz Hirn, Johannes Oberthür, Babu Thaliath, Vivetta Vivarelli, Martin A. Ruehl, Anna Barth, Paolo D’iorio, Corinna Schubert, Nikolaos Loukidelis, Matthias Vieider, Rafael Carrión Arias und Rainer Totzke zu Wort.
Wir freuen uns sehr, zum Anlass der Verleihung des Internationalen Friedrich Nietzsche-Preises 2024 an Renate Reschke, das hier gezeigte Interview als erste Episode der Interview- und Leseserie „Friedrich Nietzsche – Das Lesen neu lesen“ zu veröffentlichen.
In dieser Episode spricht Renate Reschke über ihren kritischen und kulturphilosophischen Zugang zu Nietzsches Werk. Sie reflektiert über ihre Erfahrungen in der DDR, die Methode des genauen und langsamen Lesens sowie über die kulturellen und historischen Dimensionen, die Nietzsche für das Verständnis der modernen Welt eröffnet. Sie erläutert die Bedeutung eines kontinuierlichen, kritischen und kontextbewussten Lesens seiner Werke. Reschke reflektiert zudem über Nietzsches Verhältnis zu Frauen und betont seine Kritik an der modernen Kultur sowie die Warnung vor dem Verlust der Lesekompetenz.
In der zweiten Episode der Interview- und Leseserie spricht Tracy B. Strong über Friedrich Nietzsches Schreibstil, dessen Aphorismen und ihre Rolle in Nietzsches Denken. Strong betont, dass Nietzsches Schriften nicht einfach analysiert werden sollten, sondern dass diese Texte eine unmittelbare Erfahrung verlangen. Er beschreibt Nietzsche als praktischen Philosophen, da dessen Schriften die Leserinnen und Leser dazu bewegen können, ihr Leben zu verändern. Dabei stellt er die These auf, dass nicht der Leser den Text interpretiert, sondern der Text den Leser analysiert.
Strong beleuchtet zudem Nietzsches Ansichten zur Transformation des Selbst, der Gesellschaft und der Kultur, wobei er erläutert, wie diese Ebenen der Verwandlung in Nietzsches Werk zum Ausdruck kommen. Hier wird Nietzsches Relevanz für die politische Theorie, Kultur und Philosophie deutlich. In seiner Analyse des bekannten Aphorismus „Aus der Kriegsschule des Lebens. — Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.“ (Götzen-Dämmerung: Sprüche und Pfeile, § 8) zeigt Strong, wie entscheidend es ist, Nietzsches Texte im jeweiligen Kontext zu lesen. Das Gespräch führt weiter zu Nietzsches Warnung vor zukünftigen Kriegen, seinem Blick auf den Universalismus und der Frage, wie sich seine Prognosen im 20. Jahrhundert bewahrheiteten. Tracy B. Strong reflektiert zudem über den Einfluss Nietzsches auf seine eigene Forschung, diskutiert dessen Verbindungen zu Denkern wie Rousseau und Hobbes und betont die zentrale Bedeutung von Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik für das Verständnis von Nietzsches Gesamtwerk. Das Interview wurde Ende 2015 in Winchester aufgezeichnet.
Im Gedenken an Tracy B. Strong.
Wir freuen uns sehr, zu den Feierlichkeiten rund um Nietzsches Todestag und der Übergabe der UNESCO-Urkunde „Memory of the World“, mit der Nietzsches Nachlass zum Weltdokumentenerbe ernannt wird, die dritte Episode der Lektüreserie mit der Philosophin und Publizistin Lisz Hirn zu veröffentlichen. Das Interview wurde 2017 in Wien aufgezeichnet.
In dieser Episode spricht Lisz Hirn darüber, wie Nietzsche im Zwischenraum gelesen werden kann: unterwegs, an Übergangsorten, in Bewegung. Ausgehend von ihrer Lektüre aus „Also sprach Zarathustra“ („Von den drei Verwandlungen“) berichtet sie, wie aus anfänglicher Abneigung ein produktiver Widerspruch wurde – zwischen Sprache, Philosophie und Kunst; zwischen Trostsuche und heilsamen Schmerz; zwischen akademischer Deutungshoheit und praxisnaher Lektüre. Sie zeigt, warum gutes Lesen Mut verlangt: sich vom Text prüfen zu lassen, statt ihn vorschnell zu glätten. Hirn plädiert für intellektuelle Redlichkeit, Lesen in Bewegung und das Wagnis der Selbstveränderung – allein, in der Gruppe und im interkulturellen Dialog. Sie spricht über Nietzsches poetische Philosophie, über Kunst als Partnerin der Vermittlung jenseits der Akademie und darüber, wie Lesepraxis und Lebenspraxis in Verbindung kommen.
Serie und Projektleitung: Mersolis Schöne | Assistenz und wissenschaftliche Mitarbeit: Joel Szonn | Interviews: Mersolis Schöne, Joel Szonn und Apollina Smaragd | Intro-Stimme und Flöte: Apollina Smaragd | Komposition und Klang: Caminauta | Tonmischung Musik: Raul Tizze | Produktion: Moving Thought — Film+Philosophy | movingthought.org