Vorhaben der Klassik Stiftung Weimar werden gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Freistaat Thüringen, vertreten durch die Staatskanzlei Thüringen, Abteilung Kultur und Kunst.
Stammbücher sind Alben mit ursprünglich leeren, unbeschriebenen Seiten, in die sich Freunde, Verwandte und Bekannte des Stammbuch-Besitzers eingetragen haben.
Diese Buchform gibt es seit mehr als 450 Jahren. Bekannt sind Stammbücher auch unter der Bezeichnung Freundschaftsbücher; später entwickelten sich daraus die Poesiealben. Der Ausdruck „jemandem etwas ins Stammbuch schreiben“ ist auch heute noch vielen geläufig.
Daneben finden sich in anderen Sprachen Bezeichnungen wie Album Amicorum, Liber Amicorum, Thesaurus Amicorum, Philothek oder im Deutschen auch Erinnerungsbuch. Diese Alben dokumentieren allesamt den Stamm der Freunde, Verwandten und Gesellen, die sich darin eingetragen haben.
Durch die weite Verbreitung in fast allen Gesellschaftsschichten und durch ihre vielfältige Ausstattung sind Stammbücher eine wichtige kultur- und sozialgeschichtliche Quelle. Sie geben Aufschlüsse über soziale Netzwerke, Reiserouten, Studienorte ihrer Besitzer und genealogische Zusammenhänge. Neben den Autographen der Einträger mit Sprüchen und literarischen Zitaten enthalten die Bücher Wappen, Porträts, Kostümdarstellungen, Ortsansichten, Genreszenen aus dem Studentenleben, allegorische Bilder und frei gewählte Sujets wie Phantasielandschaften und perspektivische Kunststücke, die in der Regel von berufsmäßigen Künstlern ausgeführt wurden.
Den Grundstock zur Weimarer Sammlung legte 1805 ein Ankauf von 275 Stammbüchern aus dem Besitz des Ulmer Buchdruckers Christian Ulrich Wagner. Die Sammlung wurde seither kontinuierlich ausgebaut. Eine Sammlung von 80 Poesiealben Thüringer Provenienz aus den Jahren 1850 bis 1938 wurde 1999 aus Privatbesitz angekauft und zeigt die Entwicklung des Stammbuchs hin zum Poesiealbum.
Seit 2008 wurde die Erschließung und Präsentation der Forschungsergebnisse in mehreren Projekten vorangetrieben, welche die J.H. & W. Hector Stiftung, die Gesellschaft Anna Amalia Bibliothek e.V. und die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert haben.
Von 2015 bis 2018 förderte die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Erschließung und Digitalisierung der Stammbuchsammlungen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, der Universitätsbibliothek Tübingen und des Universitätsarchivs Tübingen. Der Schwerpunkt hierbei lag auf den frühneuzeitlichen Stammbüchern von 1550 bis 1740.
Seit 2019 werden die digitalisierten Stammbücher tiefenstrukturiert, sodass individuell und multipel nach Einträgern, Einträgen, Eintragsorten und Erscheinungsjahren recherchiert werden kann.
Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek verwahrt die weltweit größte Sammlung an Stammbüchern aus der Zeit von 1550 bis 1950. Die Sammlung wird laufend antiquarisch ergänzt. Sie ist im Online-Katalog verzeichnet. Derzeit umfasst die Sammlung ca. 1900 Titel.
Ein Großteil der Stammbücher wurden im Rahmen der Bundessicherungsverfilmung des Bundesamtes für Zivilschutz und Katastrophenhilfe in Kooperation mit dem Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar digitalisiert. Sie sind in den Digitalen Sammlungen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek verfügbar.
Stammbuch-Sammlung im Online-Katalog der Herzogin Anna Amalia Bibliothek
Stammbuch-Sammlung in den Digitalen Sammlungen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek
Eva Raffel: Galilei, Goethe und Co. Freundschaftsbücher der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Ein Immerwährender Kalender. Berlin 2012. (im Katalog)
Eva Raffel: Verschollen - wiedergefunden - neu entdeckt. Aufregende Funde in den Stammbüchern der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. In: SupraLibros, Heft 17, Weimar 2015, S. 14-15 (Digitalisat)
Jeanine Tuschling: Einschreiben und verzeichnen. Perspektiven der bibliothekarischen Kooperation bei der Erschließung von Stammbüchern. In: Bibliothek 37 (2013), S. 372-375. (Digitalisat)