Referent*innen und Themen

Tagungstag 1 | 24. Mai 2023

SEKTION 1 – DAS BAUHAUS IM KONFLIKT (1919-1933)

Dr. Justus Ulbricht, Dresden

 

Vortrag: Wider Bauhaus und „Falschmoderne“ oder: „Revolution von rechts“ – Bildungsbürgerliche Frontenbildung in einer „deutschen Klassikerstadt” | 13.30 Uhr

Der Kampf, ja die Feindschaft gegen das Staatliche Bauhaus Weimar, ist oft in Grundzügen beschrieben worden. Was auffällig ist, ist die von Anbeginn vorhandene Schärfe der Abwertung und Beurteilung der modernen Kunstschule, deren Anwesenheit in Weimar von der Mehrheit des ortsansässigen Bildungsbürgertums als Eindringen empfunden wurde. Grund dafür sind nicht allein verschiedene Vorstellungen darüber was „deutsche Kunst“ sei, sondern tiefsitzende Erfahrungen einer fundamentalen, moralischen und politischen Verunsicherung der deutschen Nachkriegsgesellschaft ab 1918.
Im Kampf gegen das „Bauhaus“, die „Falschmoderne“ oder „spartakistisch-bolschewistische“, „vernünftelnde“ Kunstideen offenbaren sich Statusängste sowie der Verlust der kulturellen Deutungshoheit im Weimarer Bildungsbürgertum seit Ende des 19. Jahrhunderts. Der Vortrag wird diesen Problemzusammenhang umreißen.

Biografie: Studium der Geschichte, Germanistik und Allg. Pädagogik in Tübingen, 1995 bis 2009 Mitarbeiter der Klassik Stiftung Weimar; 2016 bis Dezember 2020 Geschäftsführer des Dresdner Geschichtsvereins, Redakteur der Dresdner Hefte, seit Januar 2021 freiberuflich. Forschungen unter anderem zu Denkmalsgeschichte und Erinnerungskultur, zur völkischen Bewegung und zur Klassik-Rezeption.

Live-Mitschnitt | Dr. Justus Ulbricht, 24. Mai 2023

Dr. Ute Ackermann, Weimar

 

Vortrag: Missverständnisse. Völkische Fehlinterpretationen der Bauhaus-Idee | 13.30 Uhr

Das Bauhaus wurde schon in Weimar von der linken Politik gefördert, woraus häufig geschlossen wird, dass die Schule schon in dieser Zeit dem linken Spektrum der Avantgarde zuzuordnen ist. Dies unterstellt dem Bauhaus von Beginn an eine definierte politische Haltung, die nicht allein von den Direktiven von Manifest und Programm festgestellt, sondern auch von den Bauhäuslern vertreten würde. Ein differenzierter Blick auf die frühe Zeit des Bauhauses zeigt jedoch ein ganz anderes Bild: Das Bauhaus-Manifest war durchaus missverständlich, woraus sich auch völkische Interpretationen ergaben. Die daraus resultierenden Missverständnisse führten zu heftigen innerinstitutionellen Auseinandersetzungen und befeuerten die Klärung des Programms. Im Ergebnis stand eine Spaltung der Schülerschaft und das generelle Politikverbot am Bauhaus, das der Meisterrat zur Jahreswende 1919/20 verhängte. 

Biografie: Kustodin der Bauhaus-Sammlung der Klassik Stiftung Weimar. Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen im In- und Ausland, darunter die historisch-kritische Edition der „Protokolle des Meisterrates am Weimarer Bauhaus 1919–1925“. Neuerschließung des Weimarer Bauhaus-Bestandes, Konzeption und Kuratierung im Team der Dauerausstellung des Bauhaus-Museums.

Live-Mitschnitt | Ute Ackermann, 24. Mai 2023

Dr. des. Zsófia Kelm, Berlin

 

Vortrag: Zwischen Bauhaus und Nationalsozialismus: Die Wege der Schülerschaft der Bauhochschule Weimar (1926-1930) | 15 Uhr

Die Hochschule für Handwerk und Baukunst – kurz Bauhochschule – unter Otto Bartning folgte auf das im Jahr 1925 nach Dessau vertriebene Bauhaus in Weimar. Sie musste sich, ähnlich wie ihre Vorgängerinstitution, mit rechten Tendenzen sowohl von außen wie auch von innen auseinandersetzen. Die Verbindung zum Bauhaus fand sich nur in einem kleinen Teil der Schülerschaft wieder, obwohl sie eine fortschrittliche Architekturausbildung genoss. So stellte auch die Schließung der Bauhochschule in den Biografien der Mehrzahl keine Zäsur dar – im Gegenteil: Ein großer Teil setzte ihr Studium an der Nachfolgeinstitution unter Schultze-Naumburg fort. Der Vortrag widmet sich der Schülerschaft der Bauhochschule und untersucht, welche Rolle diese für die Entwicklung der Bauhochschule im Spiegel der politischen Umbrüche einnahm.

Biografie: Freischaffende Kunsthistorikerin, geboren 1987 in Győr (Ungarn); Studium in Wien und Madrid. Abschluss an der Bauhaus-Universität Weimar im Dezember 2022 mit der Dissertation: „Otto Bartnings ,Bau(hoch)schule‘ (1926-1930): Entstehung, Programm, Schülerschaft und bauliches Vermächtnis“.

Live-Mitschnitt | Dr. des. Zsófia Kelm, 24. Mai 2023

Dr. Gerda Wendermann, Weimar

 

Vortrag: Modellfall Weimar. Der Angriff auf die Kunst 1930 | 15 Uhr

Der Vortrag untersucht die Hintergründe, die zum berüchtigten Erlass gegen moderne Kunst, Kultur und Musik führten, der von Wilhelm Frick, dem ersten nationalsozialistischen Innen- und Volksbildungsminister Thüringens, am 5. April 1930 unterzeichnet wurde. Dabei geht es darum, das Netzwerk um Wilhelm Frick, Hans Severus Ziegler und Paul Schultze-Naumburg und deren Zielstellung dicht an den Quellen zu beleuchten. Insbesondere über die folgenden als „Bildersturm“ bezeichneten Aktionen in Weimar im Herbst 1930 – die Entfernung der Wandgestaltung von Oskar Schlemmer im Treppenhaus des Werkstattgebäudes des früheren Bauhauses sowie die Abhängung der Abteilung der Kunst der Gegenwart im Schlossmuseum – kursieren unterschiedliche Darstellungen und Daten in der Fachliteratur und geben Anlass zu einer Überprüfung.

Biografie: Studium der Kunstgeschichte, Klassischen Archäologie und Europäischen Ethnologie, 1993 bis 2006 Oberkustodin für moderne Kunst an den Kunstsammlungen zu Weimar und bis 2022 Malerei und Plastik von 1860 bis 1919 an der Klassik Stiftung Weimar. Kuratorin unterschiedlicher Ausstellungen, zahlreiche Publikationen zur Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts.

Live-Mitschnitt | Dr. Gerda Wendermann, 24. Mai 2023

Mirjam Deckers M.A., Groningen

 

Vortrag (auf Englisch): Walter Wanke vs. Gunta Stölzl: Neubewertung eines Konflikts | 16.30 Uhr

Gunta Stölzl (1897-1983) ist als erste Jungmeisterin und Leiterin der Weberei am Bauhaus in Dessau bekannt geworden. Bald nach der Eröffnung der Schule in Dessau wurde Walter Wanke (1899-1951 für tot erklärt) als Webereimeister eingestellt und war mehrere Jahre lang Stölzls direkter Kollege. Gemeinsam erstellten sie den Lehrplan und überwachten die Ausführung von Aufträgen in der Werkstatt. Stölzl musste 1931 nach politisch motivierten Intrigen ihre Position aufgeben. Wanke wurde dafür als eine der Schlüsselfiguren verantwortlich gemacht. Auf der Grundlage neuerer Archivrecherchen wird in diesem Beitrag auf Wanke, seine Stellung und seine Zusammenarbeit mit Stölzl eingegangen. Insbesondere wird der Konflikt um Stölzl im Kontext der wachsenden Spannungen zwischen links und rechts an der Schule kritisch aufgearbeitet und neu bewertet.

Biografie: Freiberufliche Kunsthistorikerin und Doktorandin an der Universität Groningen, Niederlande. Seit 2018 arbeitet sie am Nachlass Gunta Stölzls und ist derzeit an der Erstellung eines digitalen Werkverzeichnisses beteiligt, das Stölzls gesamtes bekanntes Oeuvre umfasst.

Live-Mitschnitt | Mirjam Deckers M.A., 24. Mai 2023

Prof. Dr. Regina Bittner, Dessau

 

Vortrag: Schwierige Gebrauchsspuren. Überlegungen zum heutigen Umgang mit NS-Nachnutzungen des Bauhausgebäudes | 16.30 Uhr

Lautstark forderte die nationalsozialistische Fraktion im Dessauer Gemeinderat 1932 den Abriss des Dessauer Bauhausgebäudes. Doch nach ihrem Sieg war davon keine Rede mehr. Stattdessen boten sich schnell neue Nutzer wie die NS-Landesfrauenschule und die NS-Gauführerschule an, denen die freigewordenen, günstigen und modernen Räumlichkeiten gerade recht kamen. Der Vortrag beschreibt die unterschiedlichen Nutzungen des Gebäudes nach 1933 und stellt Überlegungen zum heutigen Umgang mit den Gebrauchsspuren aus der NS-Zeit an.

Biografie: Leiterin der Akademie der Stiftung Bauhaus Dessau. Ihre Forschungsinteressen verbinden kulturanthropologische Ansätze in Architektur- und Designstudien mit Fragen des kritischen Erbes und dessen Vermittlung in der Lehre und kuratorischen Praxis. Seit 2019 ist sie Honorarprofessorin am Institut für Kunstgeschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. 

Live-Mitschnitt | Prof. Dr. Regina Bittner, 24. Mai 2023

Prof. Dr. Aya Soika, Berlin

 

Vortrag: „Der Kulturbolschewismus schreckt mich weniger als der Amerikanismus.“ Mies van der Rohes Begegnung mit Alfred Rosenberg | 17.30 Uhr

Ausgangspunkt für den Vortrag ist das Gespräch, das Mies van der Rohe am 12. April 1933 mit Alfred Rosenberg, Kampfbund-Gründer und ‚Chefideologe‘ des Nationalsozialismus, führte. Mit welchen Argumenten bemühte sich Mies ausgerechnet bei ihm um Unterstützung für das am Tag zuvor versiegelte Bauhaus? Mies‘ Besuch war vielleicht gar nicht so sehr ein mutiger Gang in die Höhle des Löwen, sondern muss vielmehr im Zusammenhang mit der schon 1932 angestrebten Annäherung an national-konservative Kreise gesehen werden. Mies van der Rohe hoffte, er könne mit der Unterstützung von nationalsozialistisch gesinnten Personen die Vorwürfe gegen das Bauhaus als vermeintlich bolschewistische Schule entkräften. Das von Mies verfasste Gesprächsprotokoll gibt darüber hinaus Aufschluss über seine eigenen Positionierungsversuche nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten.

Biografie: Lehrt Kunstgeschichte am Bard College Berlin. Sie forscht im Bereich der Kunst der Moderne, unter anderem war sie 2019 Ko-Kuratorin der Ausstellungen zu Emil Nolde im Nationalsozialismus (Neue Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof), und, parallel dazu, zu den Brücke Künstlern im NS (Brücke Museum Berlin).

Live-Mitschnitt | Prof. Dr. Aya Soika, 24. Mai 2023

Prof. Dr. Götz Aly, Berlin

 

Abendvortrag: Unser Nationalsozialismus. Reden in der deutschen Gegenwart | 19.30 Uhr

Es waren Hunderttausende Deutsche, die aktiv Menschheitsverbrechen ungeheuren Ausmaßes begingen, und viele Millionen, die diese billigten, zumindest aber geschehen ließen. Götz Aly setzte sich in seinen Reden der vergangenen Jahre, von denen die wichtigsten in dem Band versammelt sind, immer wieder mit den vielfältigen Praktiken auseinander, die Schuld auf möglichst kleine Gruppen und Unpersonen abzuschieben. Doch auch wenn sich mancher dagegen sperrt, so zeigt Götz Aly, es bleibt „Unser Nationalsozialismus”. Seine Maxime lautet: Die Vergangenheit nicht „bewältigen”, sondern vergegenwärtigen. So lässt sich daraus lernen.

Biografie: Der Historiker und Journalist arbeitete für die taz, die Berliner Zeitung und als Gastprofessor. Er publizierte zahlreiche Bücher über Nationalsozialismus, Antisemitismus und Holocaust, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Im Februar 2017 erschien u.a. seine große Studie über die europäische Geschichte von Antisemitismus und Holocaust „Europa gegen die Juden 1880–1945”. Für seine Forschungen wurde er vielfach ausgezeichnet: 2007 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande, zuletzt 2020 den Max-Herrmann-Preis der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin.

Tagungstag 2 | 25. Mai 2023

SEKTION 2 – FALLBEISPIELE IM KONTEXT 1

Dr. Anke Blümm, Weimar

 

Vortrag: Ehemalige Bauhaus-Studierende auf der Großen Deutschen Kunstausstellung | 9.15 Uhr

Seit 2011 bietet das GDK Research Portal die Möglichkeit, die „Große Deutsche Kunstausstellung” (GDK) umfassend zu erforschen. Diese repräsentative NS-Kunstschau fand acht Mal von 1937–1943 im Haus der Deutschen Kunst in München statt. Unter den 12.550 gezeigten Werken befanden sich auch solche von einem guten Dutzend Künstlerinnen und Künstler, die mindestens ein Semester am Bauhaus studiert hatten. Ebenso nahmen einige an der Deutschen Architektur- und Kunsthandwerk-Ausstellung (1938 und 1938/1939) teil. Der Vortrag stellt diese Personen vor und beschreibt sie im Verhältnis zur Institution Bauhaus, während sie in einem zweiten Schritt in den Kontext der NS-Ausstellungen einordnet und Themen der Werke sowie Häufigkeit der Präsenz auf den Schauen beschrieben werden. Einzelne Fallbeispiele werden anschließend genauer mit Werk und Biografie beleuchtet.

Biografie: Seit 2016 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bauhaus-Museum der Klassik Stiftung Weimar. Sie studierte Germanistik und Kunstgeschichte in Heidelberg und Berlin und schloss ihre Dissertation zur Rezeption des Neuen Bauens 1933-1945 an der Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg ab. Sie gehört zum Kuratorenteam der kommenden Ausstellung „Bauhaus und NS“ (Mai-Sept. 2024).

Prof. Dr. Sylvia Claus & Dr. Miriam-Esther Owesle, Cottbus

 

Vortrag: Bauhaus in der Provinz: Die Werkschule für gestaltende Arbeit in Stettin während des Nationalsozialismus | 9.15 Uhr

Die 1923 gegründete Stettiner Kunstgewerbeschule unter ihrem Direktor Gregor Rosenbauer avancierte in den ausgehenden 1920er Jahre zu einer der wichtigsten künstlerischen und kunsthandwerklichen Ausbildungsstätten modernen Zuschnitts der Weimarer Republik. An ihr lehrten mit Kurt Schwerdtfeger, Else Mögelin, Vincent Weber bedeutende Absolvent:innen des Bauhauses. Der 1930 errichtete Gebäudekomplex der im selben Jahr in „Werkschule für gestaltende Arbeit“ umbenannten Institution prägt noch heute das Stadtbild der mittlerweile polnischen Stadt Sczeczin. Im Mittelpunkt des Vortrags steht der ehemalige Bauhaus-Künstler Vincent Weber, der zwischen 1934 und 1941/45 Leiter der Abteilung für Malerei und Grafik an der Stettiner Werkkunstschule war, und dessen Leben und Schaffen im Hinblick auf künstlerisches, kunstpädagogisches und kulturpolitisches Handeln vorgestellt und kontextualisiert werden soll.

Biografie: Prof. Dr. Sylvia Claus studierte Kunstgeschichte und Geschichte in Berlin. Von 1993 bis 1999 arbeitete sie an der Akademie der Künste, Berlin, von 1999 bis 2018 am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur der ETH Zürich. Seit 2019 ist sie Universitätsprofessorin für Kunstgeschichte am Institut für Bau- und Kunstgeschichte der Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg.

Dr. Miriam-Esther Owesle absolvierte ein Studium der Kunstgeschichte, Neueren deutschen Literatur und Theaterwissenschaft in Berlin. Seit 2015 Geschäftsführerin und wissenschaftliche Leiterin der Guthmann Akademie. Seit 2020 freie Mitarbeiterin am Fachbereich Kunstgeschichte der Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg.

Caroline Kühne M.A., Cottbus

 

Vortrag: Else Mögelin. Weben im Dritten Reich“ | 9.15 Uhr

Trotz ihres umfänglichen Œuvres aus insgesamt acht Jahrzehnten, das sowohl Textil- und Gebrauchskunst als auch Malerei und Grafik umfasst, ist das Schaffen der Berliner Künstlerin Else Mögelin bislang nicht eingehend untersucht worden.
Der Beitrag konzentriert sich auf Mögelins Rolle als Weberin und Leiterin der „Fachabteilung für Künstlerische Frauenarbeiten“ an der Werkschule für gestaltende Arbeit in Stettin in den 1930er Jahren. Zunächst durch ihre Lehrer Paul Klee und Gerhard Marcks beeinflusst, entstanden nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten mehrheitlich kleinteilige und vielfigurige Wandteppiche in realistischer Darstellungsweise. Ihre früh entwickelte Vorliebe für Motive aus der Tier- und Pflanzenwelt ließ sich problemlos mit der NS-Ideologie vereinen. Mögelin setzte ihre Lehrtätigkeit an der Stettiner Kunstgewerbeschule ungehindert fort und bildete bis 1942 - in Übereinstimmung mit den geforderten Gestaltungsprinzipien der NS-Regierung – zahlreiche junge Frauen am Webstuhl aus.

Biografie: Caroline Kühne studierte unter anderem Kunst- und Bildgeschichte in Berlin. Seit 2021 promoviert sie bei Prof. Dr. Sylvia Claus an der Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg zum Leben und Werk Else Mögelins und bereitet als Volontärin am Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst eine Ausstellung zu der Weberin vor.

SEKTION 3 – FALLBEISPIELE IM KONTEXT II

Christoph Wowarra M.A., Berlin

 

Vortrag: Im Spannungsfeld zwischen eigenen Grundsätzen, Auftraggebern und Kulturpolitik. Wilhelm Wagenfeld im Nationalsozialismus | 11.15 Uhr

Trotz schon zuvor gemachter Erfahrungen mit rechtskonservativen und nationalsozialistischen Kreisen setzte Wilhelm Wagenfeld seine Karriere auch ab 1933 im sogenannten „Dritten Reich“ fort. Eigene Gestaltungsgrundsätze legte er in Aufsätzen und Vorträgen dabei immer wieder dar. Seine Entwürfe aus Glas und Porzellan wurden auf zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt. Doch wie sind berufliche Erfolge während der Jahre 1933 bis 1945 aus heutiger Sicht zu erklären und wie zu bewerten? Der Vortrag beleuchtet das Handlungsfeld Wilhelm Wagenfelds im Nationalsozialimus zwischen eigenen Grundsätzen, Auftraggebern und der offiziellen Kulturpolitik.

Biografie: Die Forschungsschwerpunkte des Kunsthistorikers sind Wilhelm Wagenfeld, angewandte Kunst / Design 1920er-1950er Jahre und Kulturpolitik im Nationalsozialismus.

Live-Mitschnitt | Christoph Wowarra M.A., 25. Mai 2023

Dr. Katja Schneider, Halle (Saale)

 

Vortrag: Anpassung aus Verzweiflung? Der Möbeldesigner Erich Dieckmann im Banne nationalsozialistischer Ideologie | 11.15 Uhr

Erich Dieckmann (1896-1944) beginnt 1922 seine Lehre in der Bauhaus-Tischlerwerkstatt. Gropius sitzt im Direktionszimmer bald auf einem seiner Sessel, dem aus dem Würfelquadrat entwickelten Prototyp für sein späteres Typenmöbelprogramm. Das frühe, handwerksorientierte Bauhaus ist Dieckmanns künstlerische Basis; Gropius nach Dessau zu folgen, ist für ihn daher keine Option. Er zählt zu den konzilianten Modernen.
Im Frühsommer 1933 brechen Dieckmanns Karriere und Existenz ein. Über drei Jahre führt er einen unwürdigen Kampf mit diversen Ämtern um Wiedereinstellung und tritt dafür in die NSDAP ein. Erst durch private Vermittlung findet er 1936 im Amt Schönheit der Arbeit und 1939 in der Reichskammer der bildenden Künste eine Anstellung – und stellt sich so in den Dienst des NS-Systems. Der Beitrag macht Dieckmanns Widersprüche wie Zwänge transparent und zeigt seine ausweglose Situation auf.

Biografie: Katja Schneider studierte in Hamburg, Florenz und Bonn. Promotion bei Tilmann Buddensieg über die Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein. 1992 stellvertretende Direktorin des Kunstmuseums Moritzbug in Halle (Saale), ab 2000 Direktorin. 2013-2019 an der Stiftung Luthergedenkstätten Sachsen-Anhalt. Sie publiziert zur Klassischen Moderne und Reformationszeit.

Live-Mitschnitt | Dr. Katja Schneider, 25. Mai 2023

Dr. des. Jens-Uwe Fischer, Hamburg & Prof. Dr. Philip Oswalt, Kassel

 

Vortrag: Der Bauhäusler Fritz Ertl: Planer des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau | 13.30 Uhr

Obwohl bekannt, wird selten thematisiert, dass der Absolvent des Bauhaus Dessau Fritz Ertl (Bauhausdiplom Nr. 50, Juni 1931) im SS-Bauwesen Karriere machte. 1938 trat er der Allgemeinen SS bei. Im Mai 1940 kam er zur Bauleitung des kurz zuvor gegründeten KZ Auschwitz und wurde Leiter der Hochbauabteilung. 1941 entwarf er den Gesamtplan für Auschwitz-Birkenau und war, inzwischen zum stellvertretenden Leiter der Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz aufgestiegen, maßgeblich am Bau des Vernichtungslagers beteiligt. Trotz umfangreicher Aktenbestände ist dieser Sachverhalt wie auch Ertls sonstige Rolle im SS-Bauwesen (u.a. bei der »Ungarn-Aktion« und als Leiter der Zentralbauleitung Breslau) bislang unzureichend erforscht. Im Bezug auf Auschwitz-Birkenau stellt sich aber auch die Frage, welche Vorläufer und Ideen die Entwürfe beeinflussten und wie Planung und Umsetzung konkret erfolgten.

Biografie: Historiker, Promovend und von 2013 bis 2023 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Er forscht zur Architektur- und Designgeschichte des 20. Jahrhunderts. Zuletzt erschienen von ihm Gefangen in der Titotalitätsmaschine. Der Bauhäusler Franz Ehrlich und die App Der Bauhäusler Franz Ehrlich in Buchenwald (http://franzehrlich.hfbk.net).

Der Architekt und Publizist Prof. Dr. Philip Oswalt hat eine Professur für Architekturtheorie und Entwerfen an der Universität Kassel inne und war 2009 bis 2014 Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau. Zu seinen Arbeiten zu Erinnerungskultur gehören unter anderem die Neugestaltung der Außenanlagen der Gedenkstätte des KZ Ravensbrück 1998 bis 2000, Buch und Ausstellung „Dessau 1945 – Moderne zerstört“ sowie ein Design-Build-Projekt zur Wehrmachtsbaracke 260/9 (Seit 2022).

Prof. Dr. Elizabeth Otto, Buffalo

 

Vortrag: Das fehlende Archiv: Bauhaus-Designer*innen und der Holocaust| 13.30 Uhr

In diesem Vortrag werden die Spuren des Lebens von Bauhäusler*innen untersucht, die durch Inhaftierung und Tod im Konzentrationslagersystem für die Bauhaus-Historie weitgehend verloren sind. In ihrer Gesamtheit stellen sie ein fehlendes „Archiv“ dar, dessen Rekonstruktion unseren Blick auf das Nachleben des Bauhauses erweitert. Zu den untersuchten Werken gehören gefälschte Dokumente, traditionelle Gemälde, die für SS-Angehörige in Malstuben der KZs angefertigt wurden, und ein Abschiedsgeschenk einer Mutter für ihre Tochter, die ins sichere Ausland emigrieren konnte. Anhand der spärlichen Quellen, die oft von Familienmitgliedern und Freunden aufbewahrt wurden, darunter Dokumente, Fotografien und private Erinnerungen, zeigt dieser Vortrag Aspekte der gestalterischen Arbeit dieser Künstler*innen im Nationalsozialismus auf und versucht eine Neuschreibung ihrer Geschichte.

Biografie: Sie ist Professorin für moderne und zeitgenössische Kunstgeschichte an der University at Buffalo, State University of New York, ab Sommer 2023 Leitung des dortigen Humanities Institute. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit dem Verhältnis von Geschlecht und Sexualität in Kunst, Design und visueller Kultur des frühen 20. Jahrhunderts.

Live-Stream | Prof. Dr. Elizabeth Otto, 25. Mai 2023

SEKTION 4 – IDEOLOGIE UND AUFARBEITUNG

Dr. Kate Kangaslahti, Leuven

 

Vortrag (auf Englisch): Über Wassily Kandinskys späte Malerei (1933-1944) und die komplizierte Frage nach seiner (mit Rechts sympathisierenden) politischen Haltung | 15 Uhr

Ende Juli 1932, als das Bauhaus in Dessau kurz vor der Schließung stand, schrieb Wassily Kandinsky an Filippo Marinetti und bat den Futuristen-Impresario um Unterstützung. Marinettis Intervention erwies sich als vergeblich, aber aus dieser Korrespondenz gehen mehrere interessante Punkte hervor: Kandinskys eigene politische Neigung zur Rechten, seine Rolle bei der Entlassung von Hannes Meyer als Bauhausdirektor, seine Erkenntnis, dass Künstler eine politische Rolle spielen, und seine Überzeugung, dass Modernismus und Faschismus nicht unvereinbar seien. Das Ziel des Beitrags ist es, Kandinskys widerstrebenden Abschied vom Bauhaus, sein neues Leben in der französischen Hauptstadt und den Wandel, den seine Kunst dort erfuhr, im Zusammenhang mit der komplizierten Frage seiner persönlichen politischen Haltung neu zu beleuchten.

Biografie: Sie ist Senior Research Fellow in der Forschungsgruppe Kulturgeschichte seit 1750” und Gastprofessorin am Fachbereich Geschichte an der KU Leuven. Zuvor arbeitete sie am British Museum und an der Nanyang Technological Universität in Singapur. Derzeit bereitet sie eine Publikation von Wassily Kandinskys Briefen vor.

Live-Mitschnitt | Dr. Kate Kangaslahti, 25. Mai 2023

Dipl.-Ing. Waltraud Paula Indrist, Graz

 

Vortrag: Eine Collage an „Erinnerungen“ – Der Bauhaus-Schüler Hubert Hoffmann und das Setzen eines kritisch zu hinterfragenden Narratives | 15 Uhr

Seit den 1980er-Jahren war Hubert Hoffmann, Architekt, emeritierter Professor für Städtebau und Siedlungswesen (TU Graz) sowie ehemaliger Bauhaus-Schüler ein vielfach gefragter Zeitzeuge für die Ereignisse zwischen 1933 und 1945. Von einem derartigen Interesse angeregt, formulierte Hoffmann schließlich 1989 seine letzten Endes nicht veröffentlichten Memoiren Die Freitagsgruppe” und setzte darin das Narrativ einer „antifaschistischen Organisation”. Dieses Narrativ diente seither ungebrochen als zitierbare und scheinbar vertrauenswürdige Referenz. Der Beitrag wird eine Collage an kritisch zu hinterfragenden „Erinnerungen“ anfertigen und diese mit Fakten abgleichen. Dabei lassen sich die Erinnerungen Hoffmanns stellenweise zu einem größeren Ganzen zusammenfügen und zugleich Widersprüche freilegen.

Biografie: Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften der TU Graz sowie an der Akademie der bildenden Künste Wien. Zurzeit finalisiert sie ihre Dissertation zur Verschränkung von architektonischem Entwurf, Medien und Politik im Werk von Hans Scharoun mit Fokus auf die Jahre 1933 bis 1945.

Live-Stream | Dipl.-Ing. Waltraud Paula Indrist, 25. Mai 2023

Dr. Arie Hartog, Bremen

 

Vortrag: Die Nase. Das Hitlerporträt (1941/49) von Gerhard Marcks | 15 Uhr

Der Vortrag zeichnet die Geschichte des Hitlerporträts von Gerhard Marcks nach, der als Bildhauer von 1919-1925 die Keramikwerkstatt des Bauhauses leitete. Bereits 1941 hatte Marcks das Porträt nach einer, wie er behauptete, flüchtigen Begegnung mit Hitler in Gips angefertigt und es anschließend vergraben. Nach 1945 holte er es wieder hervor und ließ es 1949 gießen. In der künstlerischen Diskussion und Auseinandersetzung mit seinem Künstlerfreund Leo von König ging es für ihn um die Frage nach dem Porträt jenseits von beschönigenden und heroisierenden Typenvorgaben.

Biografie: Kunsthistoriker, ab 1996 Kustos, seit 2009 Direktor des Gerhard Marcks Hauses in Bremen. Als Spezialist für figürliche Bildhauerei hat er zahlreiche Ausstellungen kuratiert und vielfach publiziert, unter anderem die Werkverzeichnisse von Rainer Fetting und Waldemar Otto. Forschungsschwerpunkte sind die Skulptur des 20. Jahrhunderts und insbesondere die zeitgenössische Bildhauerkunst.

Live-Stream | Dr. Arie Hartog, 25. Mai 2023

Vorhaben der Klassik Stiftung Weimar werden gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Freistaat Thüringen, vertreten durch die Staatskanzlei Thüringen, Abteilung Kultur und Kunst.