Friedrich Nietzsche Büste aus Bronze

Die Klinger-Büste

Wie Max Klinger aus einer misslungenen Totenmaske das wohl berühmteste Nietzsche-Abbild für die Ewigkeit formte

Mit großem Elan bemühte sich Elisabeth Förster-Nietzsche um den Nachruhm ihres Bruders. Dabei kam es immer wieder zu Rückschlägen. Weder die Editionsprojekte des Nietzsche-Archivs noch die mit Nietzsche-Porträts beauftragten Künstler lieferten auf Anhieb die gewünschten Ergebnisse. Zudem verstarb Nietzsche, bevor Max Klinger oder ein anderer Bildhauer von Rang ihn nach dem Leben modellierte. Für die Abnahme der Totenmaske konnten weder Klinger noch Ernst Moritz Geyger rechtzeitig vor Ort sein. So kam der auf diesem Gebiet unerfahrene Maler Curt Stoeving zum Zug. Die zwei Tage nach Nietzsches Tod abgenommene Maske wies indes einige Mängel auf. Diese ließen sich nicht mehr korrigieren und schränkten ihre propagandistische Brauchbarkeit ein. Am auffälligsten ist die nach links verschobene Nase. Die rechte Augenbraue zeigt eine tiefe Kerbe und hängt wie ein Lappen nach unten. Auch der platte, ungegliederte Bart irritiert.

Curt Stoeving, Totenmaske Friedrich Nietzsches, 1900, Maße: 26,5 × 17,5 × 11,8 cm, Material/Technik: Gipsabguss, gefasst, Inv.-Nr.: NPl/00427, Provenienz: Nietzsche-Archiv, Sammlung: Plastiksammlung der Museen der Klassik Stiftung Weimar.

Viele Zeitgenossen waren von diesem letzten ‚Porträt‘ des Philosophen dennoch beeindruckt. Max Klinger setzte sich mit der Maske auch künstlerisch auseinander. Nicht zuletzt auf Bitten Förster-Nietzsches versuchte er, Nietzsches „Nase wieder zu richten“ und „die durch den Gipsguss verursachten Schiebungen“ auszugleichen. Die Totenmaske verwandelte sich dabei mehr und mehr zum Bild eines Lebenden. Der Künstler berichtete nach Weimar:

Max Klinger: Friedrich Nietzsche (Bronzebüste), 1902, Maße: 49,5 × 17 × 24,5 cm, Material/Technik: Bronzeguss im Wachsausschmelzverfahren, Inv.-Nr.: Pl-2018/2.1, Provenienz: Nietzsche-Sammlung Martin Burger, Sammlung: Plastiksammlung der Museen der Klassik Stiftung Weimar.

„Die Rectifizirung der Nase zog den Ausgleich der sichtlich verschwollenen linken Wange nach sich, und die Herstellung der Augenbrauen, diese des Bartes und Mundes – und einmal soweit gegangen mussten die Augen präecisiert werden. Der Schritt lag nahe dass aus der Maske des Todten ein Versuch wurde den Lebenden wieder zu geben und nun ich soweit bin möchte ich die Maske zum Kopfe ergänzen […].“ (Max Klinger an Elisabeth Förster-Nietzsche am 2. Januar 1902)

Anstatt die Totenmaske zu korrigieren, arbeitete Klinger ein vollplastisches Porträt aus, das sein Gießer Pierre Bingen 1902 im Wachsausschmelzverfahren ausführte. Das einzigartige Werk besticht durch die struppigen (Bart-)Haare, die in einer anderen Gusstechnik so nicht zu realisieren gewesen wären, und den frei modellierten, nahtlos in die Sockelplatte übergehenden Hals. 1903 war die Büste auf der von Harry Graf Kessler organisierten Klinger-Ausstellung in Weimar zu sehen, wurde aber nicht angekauft. Zugleich verhinderten ihre formalen Besonderheiten eine Verbreitung durch Gipsabgüsse oder verkleinerte Reproduktionen in Bronze.

Das änderte sich mit der Hermenbüste, die Klinger kurz darauf für das Nietzsche-Archiv in Marmor ausarbeitete. Sie wirkt – dem Material entsprechend – ein wenig ruhiger, aber die visuellen ‚Markenzeichen‘ bleiben dieselben: die geschwungene Haartolle, der durch die wulstigen Brauen verschattete Blick und der mächtige Schnauzer, der den Mund vollständig bedeckt. Aus einer teilweise mißlungenen Totenmaske wurde so der berühmteste Nietzsche-Typus in der Kunst. Die handwerklich und künstlerisch herausragende Bronzebüste kehrte vor kurzem als Teil der Nietzsche-Sammlung Martin Burger nach Weimar zurück. Kopien der von ihr abgeleiteten Hermenbüste finden sich heute in aller Welt.

Max Klinger: Friedrich Nietzsche (Hermenbüste), 1903, Maße: 64,5 × 48 × 20 cm, Material/Technik: Gipsabguss, gefasst, Inv.-Nr.: NPl/00515, Provenienz: Nietzsche-Archiv, Sammlung: Plastiksammlung der Museen der Klassik Stiftung Weimar.

Max Klinger (1857–1920): Friedrich Nietzsche, 1902

Maße: 49,5 x 17 x 24,5 cm
Material/Technik: Bronze
Inv.-Nr.: Pl-2018/2.1
signiert und datiert: "MK 1902"
Gießerstempel: „Cire perdue P. Bingen fondeur“
Provenienz: Nietzsche-Sammlung Martin Burger
Sammlung: Plastiksammlung der Museen der Klassik Stiftung Weimar

Totenmaske

Bronzebüste 

Hermenbüste

Vorhaben der Klassik Stiftung Weimar werden gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Freistaat Thüringen, vertreten durch die Staatskanzlei Thüringen, Abteilung Kultur und Kunst.