Kultur ist jede*r Einzelne

Dein künstlerischer Beitrag zur Neuen Natur

Kultur steht nicht still, Kultur formt und erweitert sich, Kultur lebt von den Menschen, die sie weiter- und umdenken. Das zumindest wollten und konnten wir mit dem Projekt „Kultur ist jede*r Einzelne“ unter Beweis stellen.

Bis zum 30. April konnten Künstler*innen zwischen 15 und 21 Jahren Beiträge aus den Bereichen Malerei, Fotografie und Literatur einsenden. Einziges Kriterium war das vorgegebene Thema „Neue Natur – Neue Normalität“. Dabei ist eine Ausstellung entstanden, die so vielfältig ist, wie ihre Macher. Vom 5. bis 13. Juni können Sie die Ausstellung von Mittwoch bis Sonntag am Grünen Labor beim Tempelherrenhaus erleben!

Um das tolle Ergebnis für die Nachwelt zu erhalten, werden hier alle eigesendeten Beiträge digital archiviert. Neben den Werken finden Sie jeweils eine persönliche Einordnung in das Thema „Neue Natur – Neue Normalität“. Genießen Sie die Ausstellung und lassen Sie sich von den spannenden Gedanken und Ideen dazu inspirieren, selbst kreativ zu werden, denn:

„Kultur ist jede*r Einzelne!“

Eliott Möllmann, Fensterblick

Auf dem Gemälde sieht man den Sonnenuntergang über dem Meer durch ein Fenster. Ob dies die Realität abbildet oder nur eine Vorstellung ist, weiß der Betrachter nicht, doch für mich ist es eine Mischung aus beidem:
Mit Anhalten der Pandemie, wünsche ich mir immer sehnlicher zu reisen, wieder mal das Meer zu sehen und andere Orte der Welt zu entdecken. Der Blick aus dem Fenster zu Hause wird zum Gegenstand des Träumens über andere Orte. Orte, die man jetzt am liebsten vor seinem Fenster hätte, anstelle dessen, was dort wirklich ist.
Alle sind gerade zu Hause und können nicht reisen. Oft sitze ich vor dem Fenster meines Zimmers und stelle mir vor, ich wäre jetzt am Meer. Ich denke, so geht es derzeit vielen.
In diesem Zustand des Eingesperrt-Seins ist es zu unserer Neuen Normalität geworden, sich ab und zu an andere Orte zu träumen; gerade, wenn man es liebt zu reisen, dies aber seit einem Jahr verwehrt wird. Im Unwissen darüber, wie lange dieser Zustand noch anhält, wird die Sehnsucht langsam zur Gewohnheit.
Man könnte beinahe sagen: Das ist unsere Neue Natur.

Gouache auf Leinwand von Eliott Möllmann
Malerei von Finia Winkler

Finia Winkler, Mädchen mit der Maske

Das Tragen einer Maske ist unsere „Neue Normalität“ seit nunmehr einem Jahr. Sie prägt unsere Wahrnehmung und unser Selbstverständnis. In älteren Filmen nehmen wir wahr – fühlen uns sogar unwohl - wenn jemand keine Maske trägt.
Die Maske ist zum Accessoire der Neuzeit geworden, längst von der Modeindustrie entdeckt, und prägt Zeitgeist und vielleicht auch modischen Geschmack. So wie Jan Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“ sicher den Zeitgeist und die Mode widerspiegelte, rückt die Namensgebung doch auch das Accessoire selbst in den Vordergrund.
Ursache der neuen Modeerscheinung ist eine Pandemie, letztlich verursacht durch das Eindringen des Menschen in seine Umwelt im nie dagewesenen Ausmaß. Der Mensch hat durch seinen Raubbau an der Natur den Lebensbereich vieler Tiere stark beengt, sodass sich Mensch und Tier nun räumlich sehr nahekommen. Tierische Erreger greifen auf den Menschen über, Krankheiten breiten sich aus und werden zur „Neuen Normalität“, die uns alle betrifft und unseren Alltag bestimmt.

Gina Ritter, Metamorphose

Gerade in der Zeit der Corona-Pandemie zählen unter anderem tägliche Spaziergänge in der Natur zu meinen Tageshighlights. Dass viele Menschen ihren Müll oftmals an Wegrändern oder in Wäldern entsorgen, ist bekannt. Doch war mir vorher nicht bewusst, dass Müll gezielt in aufwendig versteckten Waldgebieten abgeladen wird. An Ecken, die man nur fußläufig erreicht, zersetzen sich Jahrzehnte überdauernde Plastikeimer neben modernen Fitnessgeräten langsam in ihre Kleinteile. Dies geschieht zwischen bunten Frühlingsblüten, sodass sich der Schrott mit der Natur zu vereinen scheint.
Aus Plastikflaschen habe ich mit Hilfe einer Feuerflamme Blütenköpfe geformt und diese zwischen echten Blumen abgelichtet, um deren Metamorphose vom Plastikmüll zu bunten Blüten optisch zu verstärken.
Der Begriff der modernen Wegwerfgesellschaft ist in aller Munde, trotzdem wird der Verschmutzung der Umwelt durch Plastikmüll nicht genügend entgegengesetzt. Gerade Wälder sind Orte der Erholung, sowie Lebensräume diverser Tier- und Pflanzenarten – und keine Mülldeponien.
Ich finde es erschreckend, dass Müllberge gezielt in der Natur platziert werden. In einer „Neuen Natur“ sollten keine Plastikblumen am Wegesrand sprießen.

Fotografie von Gina Ritter
Acryl auf Leinwand von Adrian Zimmermann

Adrian Zimmermann, Save the bees

Mit dem Gemälde Save the bees  will ich ausdrücken, dass Bienen eine enorm wichtige Rolle für ein funktionierendes Ökosystem spielen und sich somit einen ruhigen Platz in der Natur verdient haben. Ohne sie gäbe es weder die bunte Blütenpracht in den Parks und Gärten, noch die leckeren saftigen Äpfel auf den Obstwiesen. Die abgebildete ländliche Szenerie mit den kräftigen Farben festigt das Bewusstsein für das, was diese kleinen, kaum sichtbaren Tiere für uns leisten. Damit verstärkt sie sicherlich auch die Angst davor, wie eine Welt ohne Bienen aussähe.
Das Thema Neue Natur ist somit gleich in zwei Dimensionen abgebildet:
Zum einen die Erneuerung der Natur und der jährliche Anbruch des Frühlings mit all seiner Vielfalt an Farben und Gerüchen. Zum anderen die reale Gefahr einer Neuen Natur, in der das Bienensterben nicht aufgehalten werden kann und damit die farbenfrohe Natur, wie wir sie kennen, aussterben wird.

Emma Vullbrock, Definition Ich

In meinem Text verarbeite ich Gedanken und Erkenntnisse über meinen persönlichen Neuanfang, meinen Umzug in eine neue Stadt, sowie dem, was er mir über mich selbst beigebracht hat.
Ich will ausdrücken, dass der Versuch von vorne anzufangen zum Scheitern verurteilt ist. Zum einen, weil eine neue Umwelt nicht das eigene Innere verändern kann. Zum anderen, weil es ohnehin falsch ist, sich zwingen zu wollen, sein Inneres an die Umwelt anzupassen.
Dabei soll der Text Elemente einer wissenschaftlichen Analyse und ganz per-sönlicher Erfahrungen und Zweifel beinhalten. Dies soll verdeutlichen, welch einschneidendes Erlebnis es für die eigene Selbstwahrnehmung ist, wenn man gezwungen ist, sich in einer neuen Welt mit seinem alten Ich zu beschäftigen. 
Dabei gehe ich davon aus, das "Neu" erst einmal als erstrebenswert gilt. Doch manchmal ist etwas Neues nur verkleidetes Altes, wobei die Vorstellung, Neues sei immer besser, dazu verleitet, sich zwanghaft erneuern zu wollen.
Im Text stelle ich außerdem die Frage, ob die Natur die Umwelt oder mein Inneres ist. Meine innere Natur kann ich nicht ändern, die Natur um mich herum schon. Ich versuche zu zeigen, dass „Neue Natur - Neue Normalität“als Ziel eines Neuanfangs letztlich mit falschen Verheißungen lockt.

Philipp Spieß, Mein Baum

Sowohl das Gedicht, als auch die Bilder sind infolge einer intensiven Auseinandersetzung mit einem Baum entstanden. Ganz im Sinne Saint-Exuperys war dies der Versuch mich einem von vielen Bäumen anzunehmen und diesen zu zähmen und ohne große Vorkenntnisse zu beobachten, welche Themen sich mir im Dialog mit ihm eröffnen.
Für mich ist der Baum, wie er im Park steht Sinnbild für unsere doch gestörte Beziehung zur Natur, sowie Ansatzpunkt zu einem neuen Naturverständnis.
Wir sehnen uns, verstärkt durch die Pandemie, nach dem von uns idealisierten Bild von „Natur“, versuchen eben dieses Bild zu erhalten, zu formen, zu restaurieren. Einerseits gehen wir in den Park, in die Berge, in die Meere, erfreuen uns ihrer, hinterlassen aber andererseits unsere Überreste in ihr. Oftmals unwissend der Folgen. Wir wollen Natur, wir brauchen sie, wollen aber auch in einer Stunde in London sein und unseren Jeep fahren.
„Mein Baum“ ist der Versuch eben jenen Zwiespalt darzustellen. Sich ganz einer Sache hinzugeben und so ein neues, eigenes Naturverständnis zu entwickeln.
Jedes Objekt, jeder Baum, jede Pflanze birgt eine Tiefe, die es individuell zu erkunden gibt. Die Wurzeln des Baumes ragen mal hier, mal da aus dem Boden, verweisen auf eine Fortführung in die Tiefe.

Marvin Weiler, Kalter Hund

Das vergangene Jahr hat uns allen sehr eindrucksvoll vor Augen geführt, dass bekannte und gewohnte Strukturen von jetzt auf gleich wegbrechen können. Vielleicht hat uns das vergangene Jahr auch die Augen dafür geöffnet, was direkt vor und hinter unserer eigenen Haustür, aber auch vor jener unserer Mitmenschen passiert. Die „Neue Natur“ beschränkt sich in unserer derzeitigen Normalität für viele Menschen womöglich auf die Zimmerpflanzen, das Basilikum an der Spüle oder eben den Baum inmitten von Hochhäusern.
Mit meiner Kurzgeschichte Kalter Hund  möchte ich das Bild zweier Hausbewohner zeichnen, die beide von einer „Neuen Normalität“ betroffen sind, jedoch unterschiedliche Voraussetzungen haben, unterschiedlich mit den Umständen umgehen und schließlich ein unterschiedliches Ende finden. Die dargestellte Natur ist dabei das Element, das die Schicksale der handelnden Personen verbindet. Sie soll außerdem ein Symbol dafür sein, dass Natur schon da war, bevor wir sie bemerkt oder gebraucht haben. Sie kann Krisen überdauern. Daran können wir uns als Menschen vielleicht ein Beispiel nehmen und lernen, mit dieser „Neuen Natur“ in einer „Neuen Normalität“ zu leben.

„Wenn man die Augen am Abend wieder schließt, kann man sich nicht vorstellen, dass man an diesem Tag etwas zum letzten Mal für lange Zeit getan hat.“

Themenjahr Neue Natur

„Kultur ist jede*r Einzelne“ ist Teil des Themenjahres Neue Natur und wird von den FSJler*innen Helene Hauck, Theresa Funke und Martha Backhaus organisiert.

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Vorhaben der Klassik Stiftung Weimar werden gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Freistaat Thüringen, vertreten durch die Staatskanzlei Thüringen, Abteilung Kultur und Kunst.