Provenienzforschung

Seit 2010 überprüft die Klassik Stiftung ihre Bestände systematisch, das heißt chronologisch und bestandsübergreifend, auf NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter (sogenanntes NS-Raubgut).

Im Jahr 2011 wurde die Provenienzforschung als Aufgabe im Leitbild der Klassik Stiftung Weimar verankert. Seit 2020 wenden sich die Recherchen dem Erwerbungszeitraum ab dem 9. Mai 1945 zu und werden über NS-verfolgungsbedingte Entziehungen hinaus auf unrechtmäßige Entziehungen während der sowjetischen Besatzung (SBZ) und der DDR-Zeit ausgeweitet.

Kontakt für Anfragen

Exlibris von Dr. Hermann Türck aus den Sammlungen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Klassik Stiftung Weimar

Vorbesitz

Wenn Sammlungsobjekte Provenienzmerkmale aufweisen, können frühere Besitzerinnen und Besitzer identifiziert werden. Die Abbildung zeigt das Exlibris von Dr. Hermann Türck in einem Buch der Herzogin Anna Amalia Bibliothek.

Weitere Informationen zum Fall Türck

Seit 2014 wird die Klassik Stiftung Weimar bei der Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich der Provenienzforschung von einem externen Fachbeirat beratend begleitet und evaluiert. Aktuell gehören folgende Persönlichkeiten dem Beirat an:

  • Prof. Dr. Guido Fackler, Professor für Museologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
  • Prof. Dr. Jörg Ganzenmüller, Inhaber der Professur für Europäischen Diktaturenvergleich am Historischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Ettersberg, Weimar
  • Dr. Jens Hoppe, Archivleiter des Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Heidelberg
  • Jana Kocourek, Leiterin der Abteilung Handschriften, Alte Drucke und Landeskunde an der
    Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • Gabriele Körner, Leiterin a. D. des Referats C 2 / C 3 im Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV), Berlin
Schreiben von Reinhard Heydrich an Fritz Sauckel, NSDAP-Gauleiter in Thüringen, vom 16. Juli 1941, Klassik Stiftung Weimar

Erwerbungskontexte

Akten und weitere Dokumente erlauben es, die näheren Umstände einer Erwerbung zu rekonstruieren. Die Abbildung zeigt ein Schreiben, das eine NS-verfolgungsbedingte Entziehung eindeutig belegt.

Weitere Informationen zum Fall Lechner

Aktueller Stand

Die Überprüfung der Objekte, die Vorgängerinstitutionen der Klassik Stiftung Weimar in den Jahren 1933 bis 1945 erworben haben, ist weitgehend abgeschlossen. Seit 2020 werden die Erwerbungen der SBZ- und DDR-Zeit auf problematische Zugänge geprüft. Mit der Erbenermittlung und Vorbereitung von Restitutionen ist eine Juristin betraut.

Alle Objekte in den Sammlungen, die als NS-Raubgut identifiziert wurden, werden an das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste gemeldet; sie sind dann unter www.lostart.de recherchierbar. Bücher aus den Beständen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, für die der Verdacht auf einen verfolgungsbedingten Entzug besteht, werden in den bibliothekseigenen Online-Katalogen „NS-Raubgut“ und „Kulturgutentziehungen 1945–1990 in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek“ nachgewiesen.

Zugangsbuch der Thüringischen Landesbibliothek Weimar für das Jahr 1933, Klassik Stiftung Weimar

Herkunft

Erwerbungsverzeichnisse dokumentieren den Zeitpunkt und die Herkunft von Erwerbungen. Die Abbildung aus einem Zugangsbuch der Thüringischen Landesbibliothek (Vorgängerinstitution der Herzogin Anna Amalia Bibliothek) enthält den Hinweis, dass ein Band aus dem Nachlass Hermann Türcks stammt.

Weitere Informationen zum Fall Türck

Wem gehörten diese Kunstwerke?

Die Provenienzforscher*innen der Klassik Stiftung Weimar haben kürzlich ein Konvolut von über 20 Ölgemälden, Pastellen und Aquarellen entdeckt, deren frühere Besitzer*innen nicht identifiziert werden können. Es wird vermutet, dass sie von Personen auf ihrer Flucht aus der DDR zurückgelassen wurden. Wir bitten Sie um Unterstützung, um die Eigentümer*innen zu finden.

Wem gehörten diese Kunstwerke?

Leseversion zum Video

[Musik] 

Mein Name ist Sebastian Schlegel. Ich arbeite als Provinienzforscher an der Klassik Stiftung Weimar und bin hier zuständig für den Bestandsbereich der Museen. Wir wollen den internationalen Tag der Provenienzforschung dazu nutzen, um uns mit einem etwas ungewöhnlichen Anliegen an Sie zu wenden, an Weimarerinnen und Weimarer, an ehemalige Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt, an alle Interessierten. Worum geht es? 

Die Klassik Stiftung Weimer untersucht ihre Bestände auf unrechtmäßige Kulturgutentzüge und hat sich dabei zunächst auf die Zeit des Nationalsozialismus konzentriert. Seit 2020 untersucht sie zusätzlich jetzt die Erwerbung ihrer Vorgängereinrichtungen und prüft die Zeit 1945 bis 1990, also die Zeit der sowjetischen Besatzungszone und der DDR. 

In diesem Zusammenhang ist uns ein Eintrag im Leihabenregister der Staatlichen Kunstsammlungen zu Weimar aufgefallen, der in seinem Umfang, aber auch hinsichtlich seiner Angaben ziemlich ungewöhnlich war. Es handelt sich um ein Konvolut von mehr als 20 Ölgemälden, Pastellen und Aquarellen, die alle mit der Datumsangabe 21. November 1963 im Leigabenregister der Staatlichen Kunstsammlungen zu Weimar eingetragen worden sind und alle zugehörigen Objekte tragen die selbe Herkunftsbezeichnung, nämlich Leihgaben vom Amt für Wirtschaftsprüfung Weimar, unverkäufliche Restbestände aus dem Besitz von Republikflüchtigen. Diese Angabe ist für uns Grund für weitere Recherchen. Wir wissen, dass sich hinter der Herkunftsbezeichnung dem Lieferanten, der VEB Büro für Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung verbirgt, dessen Weimarer Filiale unter der Adresse Markt 11-12 untergebracht war. Wir wissen auch, dass in der DDR die VEB Büro für Wirtschaftsprüfung unter anderem zuständig waren, für die Räumung der Wohnung von Personen, die die DDR verlassen hatten und nach offizieller Lesart nun als Republikflüchtig galten. Über den Vorgang der Überstellung der Gemälde an die Kunstsammlung und die Identität der Eigentümer haben wir bisher nicht sehr viel herausbekommen können. Die Frage des Eigentums ist also in diesem Fall für uns von ganz zentraler Bedeutung. Wer also ist heute Eigentümer der Werke, die wir untersuchen? Gibt es, gab es Antragsfristen und sind die heute nicht längst abgelaufen?

[Musik] 

Ja, die Rechtslage ist tatsächlich in diesem Fall nicht ganz einfach. Für Objekte, die in der DDR-Zeit entzogen wurden, richten sich die Rückgabeansprüche grundsätzlich nach dem Vermögensgesetz. Hier waren die Ansprüche bis 1993 zu stellen und sind somit schon längst abgelaufen. In diesem Fall könnte die Rechtslage allerdings anders sein und das liegt daran, dass während der Zeit der DDR es unterschiedliche gesetzliche Regelungen zu Objekten gab, die zurückgelassen wurden. Eine Zeit lang wurde alles, was von den sogenannten Republikflüchtigen zurückgelassen wurde, als Volkseigentum erklärt und enteignet. In anderen Fällen wurden die Objekte nur unter Zwangsverwaltung gestellt zum Zwecke der Verwertung. Wenn die dann nicht verwertet worden sind, kann es sein, dass also das Eigentum heute noch bei den früheren Eigentümern lag. Während der Zeit der DDR hat das natürlich überhaupt keinen Unterschied gemacht.  Die Sachen waren faktisch enteignet. 

Heute kann es aber durchaus einen Unterschied machen, da dann in diesen Fällen, wenn das Eigentum nach wie vor bei den früheren Eigentümern liegt, keine Anträge gestellt werden mussten. Also, die Antragsfristen gelten in diesen Fällen nicht. Ein wichtiges Indiz ist natürlich, dass die Objekte im Leihgabenregister eingetragen wurden. Also, daran sieht man schon, dass auch damals das Eigentum nicht auf die Einrichtung übergehen sollte und das ist ein Indiz dafür, dass möglicherweise das Eigentum noch immer bei den Geschädigten liegt. Um dies zu prüfen, brauchen wir natürlich mehr Informationen. Also, wir müssen nicht nur wissen, wem sind die Bilder damals entzogen worden, sondern auch wie waren die Gesamtumstände, wurden Anträge auf Rückübertragung gestellt und wie war die Entzugssituation allgemein. Zu diesem Zweck haben wir uns entschlossen, die Gemälde mit Vorder- und Rückseite auf unserer Website digital verfügbar zu machen und wir bitten die Bevölkerung um Mithilfe. 

Wer weiß etwas über die Gemälde? Wem haben Sie gehört? Wem wurden sie entzogen? Was wissen Sie noch, was uns weiterhelfen könnte? Wir kennen natürlich die Künstlerinnen und Künstler der Werke. Wir wissen, dass Magda Langenestraß-Uhlig, wir wissen auch, dass Fritz Neuenhahn, Felix Meseck oder auch Wilhelm Giese die Eisschollen, zur Weimacher Malerschule zu zählen sind. Das ist relativ auffällig. Das ist etwas, was die Künstlerinnen und Künstler des gesamten Konvoluts miteinander verbindet, die Zugehörigkeit zur Weimarer Malerschule. Was wir uns natürlich auch angeschaut haben, sind die Rückseiten, die also in den Digitalisaten dann noch besser zu erkennen sein werden und diese Rückseiten geben uns auch Rätsel auf, denn die dort vermerkten Spuren sind nichts, was wir bisher auflösen konnten. Aus diesem Grunde sind weitere Hinweise notwendig, um die Hintergründe dieser Überweisung an die Staatlichen Kunstsammlungen aufzuklären.

[Musik]

Kontakt

Für Fragen zur Provenienzrecherche an der Klassik Stiftung Weimar wenden Sie sich bitte an:

  • Team Provenienzforschung
    E-Mail

Für Fragen zur Restitution und zu rechtlichen Aspekten wenden Sie sich bitte an:

Vorhaben der Klassik Stiftung Weimar werden gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Freistaat Thüringen, vertreten durch die Staatskanzlei Thüringen, Abteilung Kultur und Kunst.