Sammlung Mathilde und Maria von Freytag-Loringhoven

Die Sammlung der Schwestern Mathilde und Maria von Freytag-Loringhoven ist eine Weimarer Frauenbibliothek aus dem frühen 20. Jahrhundert, die 2018 bei Recherchen für eine Ausstellung des Weimarer Stadtmuseums in der Herzogin Anna Amalia wiederentdeckt wurde. Ein Großteil der Bücher gehörte der Freiherrin Mathilde von Freytag-Loringhoven (1860-1941), welche zu ihren Lebzeiten als Malerin, Schriftstellerin, Laienschauspielerin, Kulturredakteurin und ab 1920 auch als Weimarer Gemeinderatsmitglied stadtbekannt war, immer unterwegs mit Stock, Hut und Hund. Sie wurde als eine der ersten Frauen an der Kunstakademie Weimar ausgebildet und verdiente mit der Malerei den Lebensunterhalt für sich und ihre Schwester Maria von Freytag-Loringhoven (1863-1946), welche den gemeinsamen Haushalt in der Marienstraße 18 führte. Mathilde war vor allem als selbsternannte Tierpsychologin und Kritikerin des Weimarer Bauhauses in Erinnerung geblieben. Dies nahm das Weimarer Stadtmuseum zum Anlass, der Künstlerin 2019, im Jubiläumsjahr des Bauhauses, eine eigene Ausstellung zu widmen, welche der vielseitigen und facettenreichen Persönlichkeit gerecht und ein großer Publikumserfolg wurde. 

Bereits 1913 verfügten die beiden unverheiratet gebliebenen Schwestern testamentarisch die Schenkung ihrer Büchersammlung an die Großherzogliche Bibliothek. Die spätere Thüringische Landesbibliothek übernahm Teile der Sammlung in den 1930er Jahren und den restlichen Bestand 1942, nach dem Tod Mathildes.

Provenienz

Die Familienbibliothek von Freytag-Loringhoven umfasste damals insgesamt 1266 Bände, welche über einen Zeitraum von 60 Jahren zusammengetragen worden waren. Über Widmungen, Exlibris und Signaturen lassen sich heute Bücher einzelnen Familienmitgliedern zuordnen, wobei die meisten Bände mit dem Autogramm "Tilly von Freytag-Loringhoven" versehen sind – so pflegte sich Mathilde ab ihrem 18. Lebensjahr zu nennen. Ihre Schwester Maria, "Mimi" genannt, verwendete in ihren vergleichsweise wenigen Büchern ein Exlibris, welches Mathilde für sie in Form einer Druckgrafik angefertigt hatte.

Inhalt der Privatbibliothek

Die umfangreiche Privatbibliothek der beiden Diplomatentöchter entstand in einer Zeit, in der Frauen der Zugang zu höherer Bildung meist verwehrt blieb. Dennoch besticht die Sammlung durch ihre zahlreichen Themenfelder und Literaturklassiker in verschiedenen Sprachen. Französisch wurde den Schwestern von ihrem Vater beigebracht, wobei Mathilde auch über englische und vermutlich auch über italienische Sprachkenntnisse verfügt haben muss, wie an den Werken der Bibliothek, welche im Original vorliegen, abzulesen ist. Die Sammlung enthält neben den zum gängigen Bildungskanon des 19. Jahrhunderts gehörenden Werken der griechischen und römischen Antike deutschsprachige Klassiker von Goethe, Schiller, Kleist und Lessing. Mathildes Interessensschwerpunkt lag klar bei der deutschen und französischen Theaterdichtung des 18. Jahrhunderts und den zeitgenössischen skandinavischen Autoren. Weiterhin fanden französische Tragödien und Komödien, englische Klassiker, Werke Richard Wagners, zeitgenössische deutsche Autoren, Literatur mit feministischen Inhalten, Werke zur Kunst und eine kleine Spezialbibliothek mit Fachbüchern und Belletristik über Tiere, insbesondere Hunde, ihren Platz in der Sammlung.
Dazu kamen Werke aus kostengünstigen Abonnements, die als lose Einzelhefte geliefert wurden und nach Mathildes Vorstellungen, teilweise aufwendig, zu Sammelbänden gebunden wurden.
Zahlreiche Bearbeitungsspuren in den Büchern zeugen davon, dass die Privatbibliothek fleißig genutzt wurde, und geben uns heute Auskunft über die Lesegewohnheiten, Lieblingslektüre und Interessensschwerpunkte der Familie von Freytag-Loringhoven.

Rekonstruktion der Sammlung

Im Zusammenhang mit der noch nicht abgeschlossenen Rekonstruktion der Sammlung, deren Exemplare über die Herkunftsangabe im Zugangsbuch der Bibliothek identifiziert werden können, wurden bislang 505 Bücher mit insgesamt 1240 Werken (in Einzel- und Sammelbänden) Mathilde und Maria von Freytag Loringhoven zugeordnet. Durch den Bibliotheksbrand 2004 sind etwa 150 Bände als Verlust zu verzeichnen, weitere Bände wurden wahrscheinlich im Laufe der Zeit aus dem Bibliotheksbestand ausgesondert.

Weiterführende Links

Alle Titel der Sammlung im Online-Katalog der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in chronologischer Ordnung

Die Sammlung Mathilde und Maria von Freytag-Loringhoven in den Digitalen Sammlungen der HAAB

Weiterführende Literatur

Antje Neumann-Golle, Jens Riederer und Uta Junglas: Mathilde von Freytag-Loringhoven. 1860-1941, Malerin - Tierpsychologin - Kritikerin des Bauhauses Begleitbuch zur Sonderausstellung, Stadtmuseum Weimar, 12. Oktober 2019 bis 12. Januar 2020. Weimar 2019. (im Katalog)

 

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