Vorhaben der Klassik Stiftung Weimar werden gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Freistaat Thüringen, vertreten durch die Staatskanzlei Thüringen, Abteilung Kultur und Kunst.
Vortrag von Dr. Helene Kraus
Anonyme Autorschaft war im 18. Jahrhundert keineswegs eine singuläre Erscheinungsform, vielmehr eine fest etablierte Publikationspraxis. Berühmte Werke wie Die Räuber, Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim, Die Soldaten, Der Hofmeister, Florentin, Agnes von Lilien, Abdallah, William Lovell, Die Geschichte des Agathon, Philotas, Die Nachtstücke gingen ohne Angabe ihrer Urheber in den Druck. Auch Goethe befasste sich zeitlebens mit dem Phänomen der anonymen Autorschaft: Zunächst als Schriftsteller und Rezensent, der selbst davon Gebrauch machte und Texte wie Götz von Berlichingen, Die Leiden des jungen Werthers sowie literaturkritische Arbeiten in den Frankfurter Gelehrten Anzeigen ohne Namensnennung veröffentlichte; später als Bibliotheksleiter, auf dessen Initiative die bis heute überlieferten Anonymenkataloge der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar und der Jenaer Universitätsbibliothek zurückreichen, als Selbsteditor, der für die Ausgabe letzter Hand verzweifelt versuchte, seine in den 1770er Jahren anonym erschienenen Rezensionen ausfindig zu machen, sowie als Politiker und Jurist, der sich 1808 vehement für »die absolute Aufhebung aller Anonymität in Druckschriften« einsetzte.
Der Vortrag rekonstruiert Goethes ambivalentes Verhältnis zu Anonymität und fragt nach den Hintergründen seiner wechselhaften Positionierung.