Vorhaben der Klassik Stiftung Weimar werden gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Freistaat Thüringen, vertreten durch die Staatskanzlei Thüringen, Abteilung Kultur und Kunst.

Er strich, korrigierte und überklebte – zum Leidwesen seiner Verleger überarbeitete der Komponist seine Werke immer wieder.
Franz Liszt hat seine Werke immer wieder umgearbeitet und in mehreren Versionen publiziert. Dies zeigt sich im Nachlass des Komponisten besonders eindrucksvoll an seinen Etüden. Die verschiedenen Fassungen dieses Klavierzyklus reichen von den frühen „Übungsstücken“ des Fünfzehnjährigen, den Études pour le pianoforte en quarante-huit exercices, über die hochvirtuosen Grandes Études aus dem Jahr 1839, die Robert Schumann „Sturm- und Graus-Etüden“ nannte, bis hin zur „einzig gültigen Ausgabe“ der zwölf Études d’exécution transcendante aus Liszts Weimarer Schaffenszeit.
Neben seiner Tätigkeit als Hofkapellmeister widmete sich Liszt in Weimar vor allem der Komposition. Zwischen 1848 und 1861 entstanden hier einige seiner bedeutendsten Werke, darunter die 12 Symphonischen Dichtungen, die Faust-Symphonie und die Klavierkonzerte. Vor allem aber beschäftigte er sich mit der umfassenden Revision seiner großen Klavierzyklen wie den Harmonies poétiques et religieuses, den Années de pèlerinage oder eben den Grandes Études, deren frühe Fassungen zum Repertoire seiner triumphalen Virtuosenreisen gehört hatten.
Im Januar 1850 forderte Liszt bei seinem Verleger Carl Haslinger in Wien die Rechte an den Grandes Études zurück. Ein Jahr später begann er, die endgültige Version dieses Zyklus direkt in einem Exemplar der von ihm verworfenen Ausgabe auszuarbeiten. Mit Rötel, schwarzer und roter Tinte strich und korrigierte er im Notentext und klebte oder nähte zahlreiche Ergänzungen in das Druckexemplar ein. Die formalen Umstellungen und Ausdünnungen des extrem dichten Klaviersatzes zielten dabei vorrangig auf klangliche Transparenz und poetischen Glanz. Zwei Etüden, Nr. 4 und Nr. 10, schrieb Liszt vollständig neu und heftete sie in den „Montageautograph“ ein, wie die Handschrift zuweilen in der Forschung genannt wird.
Seiner Idee einer poetischen Klaviermusik folgend, gab Liszt beinahe allen Nummern der „Transzendentalen Etüden“ einen programmatischen Titel. So beziehen sich z.B. „Paysage“ (Nr. 3) und „Vision“ (Nr. 6) auf Gedichte von Victor Hugo. „Feux Folletts“ („Irrlichter“, Nr. 5) geht auf Goethes Faust zurück, den Liszt in der französischen Übersetzung von Gérald de Nerval gelesen hat. „Eroica“ (Nr. 7) verweist auf Beethovens gleichnamige Symphonie – die thematischen Bezüge sind unüberhörbar. Den Abschluss seiner Umarbeitung, die ihn vor allem in Bad Eilsen beschäftigt hatte, datierte Liszt auf dem letzten Blatt: „Eilsen, 2. April 1851“. Er besuchte dort die Fürstin Carolyne von Sayn-Wittgenstein und deren Tochter Marie, die zur Kur nach Niedersachsen gereist waren.
Es ist kaum zu glauben, dass die auf 126 Seiten entstandene, teilweise nur mühsam zu lesende Mixtur von Revisionen dem Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel zur Herstellung der Druckplatten für die Neuausgabe gedient haben soll. Liszts Angaben für den Notenstecher und dessen Bleistifteinzeichnungen zur Einrichtung der Seiten lassen daran aber keinen Zweifel.
Digitalisat der 24 Grandes Études pour le piano (Wien 1839): erste Lieferung
Digitalisat der 24 Grandes Études pour le piano (Wien 1839): zweite Lieferung
Digitalisat der Études d’exécution transcendante pour le piano (Leipzig 1852): erste Lieferung
Digitalisat der Études d’exécution transcendante pour le piano (Leipzig 1852): zweite Lieferung